Neolithikum

 

Von 6000 bis 3000 v. Chr. lebten die Kreter, wie alle frühen Kulturen, zunächst als Sammler und Jäger. Im Zuge der neolithischen Revolution wurden sie Bauern und entwickelten erste Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge und Keramiken. Die ersten Häuser wurden gebaut. Die nun entstehende Keramik lässt auf Einflüsse anatolischen und afrikanischen Ursprungs schließen, so wie auch einige Ortsnamen und Bezeichnungen ostanatolische Einflüsse nahelegen. Vermutlich kamen die ersten Siedler aus Anatolien, vielleicht auch aus Afrika. Der Brennofen wurde erfunden. Weitere archäologische Funde belegen Fruchtbarkeitskulte, die zu dieser Zeit das religiöse Leben Kretas bestimmten.

 

 

Minoische Epoche 

 

Von Wissenschaftlern wird die Minoische Epoche in früh-, mittel- und spätminoisch oder in die Vor-, Alt- und Jung- bzw. Nach-Palastzeit unterteilt. Entweder zieht man die verschiedenen Keramikstile oder die Bauphasen der Paläste zur Unterteilung heran. Im Folgenden orientiere ich mich zunächst an den Bauphasen der Paläste.

 

Die Vorpalastzeit dauerte von 2600 bis 1900 v. Chr. an.

In ihren Anfängen stand die minoische Kultur noch im Schatten der ägyptischen und mesopotamischen Hochkulturen. Aufgrund der Herstellung und Verarbeitung von Bronze spricht man bis 1100 v. Chr. auch von der Bronzezeit. Zahlreiche Funde von Bronzegegenständen und kunstvoller Keramik, die nun auf Töpferscheiben gedreht wurde, belegen eine neu entstandene Kunstfertigkeit, in der sich anatolische und ägyptische Einflüsse zeigen. Gräber, in denen viele Funde gemacht wurden, belegten den minoischen Brauch, die Toten in einfachen Höhlen, Grabkammern oder Rundgräbern zu bestatten. Einzelne Grabbeigaben legen nahe, dass dem früh-minoischen Verständnis nach der Tote zur Mutter Erde zurückkehrte. Bei dem vermutlich wichtigsten früh-minoischen Hafen auf Mochlos wurde Goldschmuck gefunden, der auf mesopotamische Einflüsse schließen lässt. Die ersten Siedlungen entstanden. Knossos, Festos und Malia waren schon damals minoische Siedlungsorte.

 

Während der Älteren Palastzeit, 1900‒1700 v. Chr., errangen die Minoer eine vorrangige Stellung im östlichen Mittelmeer. Sie besaßen eine große Handelsflotte und unterhielten Handelsbeziehungen auch mit Ägypten. Diese erreichten jedoch erst in der jüngeren Palastzeit ihren Höhepunkt.

Nach ihrem Fundort, der Kamaresgrotte im Ida-Gebirge, wurde der Keramikstil der Älteren Palastzeit mit dem Namen Kamaresstil benannt. Der kykladische Spiraldekor trug zur Grundidee minoischer Kunst bei. Siegel, vermutlich den Mesopotamiern nachgeahmt, wurden auf Kreta in zahlreichen und kunstfertigen Formen gefunden, als Identifikationsmerkmal oder zur Verplombung. Auf 2000 Jahre v. Chr. schon datiert man auf Kreta eine Hieroglyphenschrift. Unklar ist, ob diese von den Ägyptern inspiriert wurde oder sich selbstständig entwickelte. Aus den Hieroglyphen entstand die sogenannte Linearschrift A. Beide Schriften blieben zeitweise nebeneinander im Gebrauch. Nur auf weniger als hundert Funden, auf Ton oder Stein, sind sie der Überlieferung erhalten geblieben. Bis heute sind diese ältesten minoischen Schriften unentziffert, sodass der historischen Erforschung des minoischen Kretas ein ganz wichtiger Hinweis fehlt, die schriftliche Überlieferung. In den berühmten Diskos von Festos, eine Tonscheibe, wurden Hieroglyphen spiralförmig eingemeißelt. Sie gleichen den ältesten auf Kreta gefundenen Hieroglyphen nicht. Die hier entstandene Stempeltechnik ist das älteste bekannte europäische Druckverfahren.

Die großen Palastanlagen von Knossos, Festos und Malia waren mehrstöckige Gebäude mit vielen Räumen, Hofanlagen und Wasserleitsystemen. Der Palast von Knossos ist der größte minoische Palast auf Kreta und liegt kurz vor Iraklio. Er zählt zu den bedeutendsten archäologischen Fundstätten Europas. In Festos, nahe bei Matala, befindet sich die zweitgrößte Palastanlage. Viele Räume in den Palästen deuten auf deren religiöse und repräsentative Verwendung, in Kulten oder Zeremonien, hin. Auch aus Mesopotamien ist der Gebrauch eines Gebäudekomplexes in mehrerer Hinsicht bekannt, sodass sich vorstellen lässt, dass die Anlagen religiöse und ökonomische Zentren der anliegenden Städte waren. Um 1700 v. Chr. zerstörte ein gewaltiges Erdbeben alle minoischen Paläste.

 

Die Jüngere Palastzeit währte von 1700 bis 1450 v. Chr. Während der Hochzeit der minoischen Kultur wurden die Paläste wieder vollständig aufgebaut und vermutlich zu wichtigen Kult- und Wirtschaftszentren in der Nähe nun größerer Städte.

Ausgrabungen belegen, dass sich die Palastanlagen in ihrem Aufbau an den folgenden Orten gleichen. In Nähe der Nordküste Knossos, Archanes, Kydonia (Chania) und Malia, an der Südküste Festos und im Osten nahe der Küste Zakros.  

Der Handel weitete sich über die Kykladen und Zypern bis nach Italien, in den vorderen Orient und Ägypten aus. Das Kunsthandwerk erreichte eine weitere Blüte. Auch kretische Waffen wurden exportiert. Die Minoer waren die Herrscher des östlichen Mittelmeeres. Darauf lassen auch die unbefestigten Paläste und Küsten Kretas schließen. Um 1450 v. Chr. fielen die minoischen Paläste und Städte einer Feuerkatastrophe zum Opfer.

 

 

Das Ende der Minoischen Epoche

 

Bis heute sind sich die Wissenschaftler nicht einig, was genau den Untergang der minoischen Kultur bezeichnet.

Zum einen nimmt man die Zerstörung der Paläste durch die Feuerkatastrophe als Zeitpunkt des Untergangs der minoischen Epoche an. Somit wäre das minoische Kreta durch einen gewaltigen Vulkanausbruch endgültig beendet worden. Das östliche Mittelmeer wurde damals von einem riesigen Tsunami erfasst und zwischen 1500 und 1520 kam es zum Vulkanausbruch von Thera, so hatte man bislang angenommen. Sicherlich veränderte die größte Naturkatastrophe der Bronzezeit das Leben im Mittelmeerraum drastisch. Neueren geologischen Erkenntnissen nach wurde der Zeitpunkt des Ausbruchs jedoch nun um beinahe hundert Jahre zurückdatiert. Der Vulkanausbruch von Thera wäre demnach nicht für das Ende der minoischen Kultur verantwortlich.

 

Die Nachpalastzeit, von 1450 bis 1100 v. Chr., endete mit dem Untergang der bronzezeitlichen Kultur und dem Beginn der Eisenzeit.  

Ab dem 17. Jahrhundert v. Chr. entstand auf dem griechischen Festland die mykenische Kultur. In der Zeit ab 1450 bis 1375 v. Chr. übernahmen die Mykener (Achäer) den Palast von Knossos als ihren Herrschersitz und zahlreiche andere ehemals minoische Zentren. Dabei kann man von anfänglichen Widerständen der Kreter ausgehen, wobei man im Folgenden wohl zu einer friedlichen Koexistenz gelangte. Man hatte zunächst angenommen, dass nach der Feuerkatastrophe nur Knossos fortbestand, doch neuere Ausgrabungen in Archanes und Chania bewiesen das Gegenteil. Funde von Linearschrift B-Täfelchen lassen Zweifel daran aufkommen, ob es zu einer erneuten Naturkatastrophe kam oder ob die Minoer von den mykenischen Herrschern unterjocht wurden und um Autonomie kämpften und eventuell selbst Knossos zerstörten. Um 1375 v. Chr. kam es zur Zerstörung des mykenischen Palastes in Knossos. Auch dieser Zeitpunkt wird von Wissenschaftlern als endgültiger Untergang der minoischen Kultur bezeichnet.

 

Von 1375 bis 1000 v. Chr. scheint die minoische Kultur kaum noch auf Kreta vertreten zu sein. Die Mykener beherrschten die Ägäis und den ehemaligen Seehandelsraum der Minoer. Doch auch die Mykener sahen nun ihrem Untergang entgegen. Möglicherweise brach das überalterte bronzezeitliche Wirtschaftssystem zusammen. Die Fürstenhäuser der ersten Griechen zerfleischten sich eventuell gegenseitig. Minoer und Mykener wurden zu plündernden Seefahrern. Gegen 1200 v. Chr. fanden im gesamten Mittelmeer große Unruhen und Zerstörungen statt. Die mykenischen Zentren gingen unter. Die Geschichte liegt weitgehend im Dunkeln.

Im 12. Jahrhundert v. Chr. wanderten griechischstämmige Dorer aus dem Norden nach Griechenland und Kreta ein. Bei der späteren Machtergreifung der Dorer, im 11. Jahrhundert v. Chr., geht man von zunächst heftigen Widerständen der Kreter aus, die unterjocht wurden. Auch dieser Zeitpunkt kann als Ende der minoischen Epoche betrachtet werden. Dies würde für einen langsamen Transformationsprozess anstelle eines abrupten Endes sprechen, was in Anbetracht der Größe des minoischen Einflussgebietes nahe liegt.

Ab dem Jahre 1000 v. Chr. existierten nur noch im Osten Kretas, mitunter in abgelegenen Bergregionen, wenige Siedlungen der Eteokreter, die hierhin geflüchtet waren. Nur vereinzelte Siedlungen der reinen Kreter in den Bergen Ostkretas bestanden noch bis ins 9. Jahrhundert v. Chr. in minoischer Tradition fort.