Venezianische Besatzung Kretas (1204-1669)

 

Venedig, ein ehemaliger Außenposten des byzantinischen Reiches, bot dem oströmischen Kaiser Unterstützung gegen die angreifenden Türken an. Hierdurch erhielt Venedig bedeutsame Handelsvorteile. Dies ließ Venedig innerhalb einiger Jahrzehnte Byzanz wirtschaftlich dominieren. Von 1202 bis 1204 eroberten Kreuzritter im Vierten Kreuzzug, unter Führung des venezianischen Dogen Danaldo, Konstantinopel. Venedig errichtete das Lateinische Kaiserreich in Konstantinopel und kolonialisierte die Ägäis. Byzantinische Ländereien wurden unter den Kreuzrittern aufgeteilt. Doch Kreta gehörte 1204 bereits nicht mehr zu den byzantinischen Ländereien. Es gelangte durch Schenkung von Kaiser Alexios III. in den Besitz der genuesischen Marquis Montferatto. Der Doge Danaldo erwarb Kreta. Doch musste er erneut fünfzehn Jahre gegen den genuesischen Korsaren Pescatore kämpfen, ehe die Insel komplett unter venezianische Herrschaft gebracht wurde. Ab da hatte das venezianische Regnio do Candia Bestand. Für die Handelsseerouten der Venezianer war Kreta strategisch von großer Bedeutung. Kreta wurde die wichtigste venezianische Kolonie und Chania zu einem der bedeutsamsten Handelspunkte im östlichen Mittelmeer. Kydonia wurde zu La Canea, zum Verwaltungssitz und dem kretischen Venedig. Die Venezianer nahmen die Feudalgüter ein. Griechische Adelige, die Großgrundbesitz innehatten, wurden den venezianischen Feudalherren unterstellt und von der Regierung ausgeschlossen. Die Papades der lateinisch-römischen Kirche treten an die Stelle griechisch-orthodoxer Metropoliten und Bischöfe. Die Bauern wurden geknechtet. Die einfache Bevölkerung wurde versklavt oder musste hohe Steuern zahlen.

Die neuen Eroberer stießen auf heftige Widerstände in der Bevölkerung, sodass es zum Bau zahlreicher Kastelle und Festungen kam, auch zum Schutz vor Piraterie. Es kam zu langen und großen Volksaufständen. Die Kreter waren den Venezianern zahlenmäßig weit überlegen. Kretische Adelige baten den byzantinischen Kaiserhof um Hilfe. Doch die militärische Hilfe führte nicht zur Rückeroberung. Die Adeligen Skordiles und Melissenoi brachten durch den Aufstand von 1219 die Venezianer zu ersten Zugeständnissen. Sie riefen erneut den byzantinischen Kaiser zu Hilfe, wodurch in einem neuen Vertrag den Kretern neue Lehen zugesichert wurden. 1262 rief ein byzantinischer Kaiser die Kreter zum Aufstand. Auch hier wurden neue Zugeständnisse ausgehandelt. Von 1983 bis 1893 dauerten die von A. Kallergis angeführten Aufstände an. Die venezianische Herrschaft wurde zeitweise an die Küsten zurückgedrängt. Die Aufstände wurden aus den Bergen heraus geführt und mündeten im Friedensvertrag von 1299, dem Pax Alexii Calergii. Den Kretern wurden Lehen und ein Bistum zugestanden, das sie mit einem griechisch-orthodoxen Bischof besetzten. 1368 führten die Kallergis-Brüder einen weiteren Aufstand der Bauern von Lassithi an. Die Bestellung der fruchtbaren Lassithi-Hochebene wurde für fast hundert Jahre unter drastischen Strafen verboten. Das Abschlagen eines Fußes oder die Enteignung der Herde drohten. Erst nach 1497 wurde sie wieder besiedelt. Benachteiligte Venezianer riefen 1303/1304 in Iraklio die Republik des Hl. Titus aus, unterstützt von J. Kallergis. Die venezianischen Aufständischen wollten die Orthodoxie in der neuen Republik anerkennen. Doch auch dieser Aufstand wurde niedergemetzelt. Die Ächtung von Kallergis führte 1364 zu einem weiteren Aufstand, der 1367 in La Canea endete. Die Aufständischen wurden auf das Grausamste bestraft. Mit diesem letzten Aufstand Kallergis endete die Reihe der großen kretischen Revolten unter den Venezianern. Die von venezianischen Chronisten gezählten 14 Aufstände lassen von einer weit höheren Anzahl ausgehen.

Während der folgenden Jahrhunderte bestand der Kontakt zum byzantinischen Kaiserhof fort. Bis 1446 ließen mehrere Kaiser auf Kreta Kirchen bauen. Manche wurden mit zwei Altären ausgestattet. Sowohl lateinische als auch orthodoxe Messen wurden in ihnen gehalten. Die Bindung der Kreter an das Byzantinische Reich und ihre griechisch-orthodoxe Mutterkirche blieben bestehen.

Den Venezianern gelang es weder das gesamte byzantinische Gebiet zu sichern noch zu verhindern, dass sich byzantinische Nachfolgestaaten bildeten. Das Lateinische Kaiserreich wurde zurückgedrängt. Das byzantinische Reich wurde zwar wieder errichtet, aber es erhielt nie wieder seine alte Größe und Macht. Es endete schließlich 1435, mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen. Konstantinopel wurde zu Istanbul.

Ab 1645 kam es zu Überfällen türkischer Piraten auf Kreta. 1648 sendeten die Türken das erste starke Heer auf die Insel. Kreta wurde als eine der letzten venezianischen Bastionen im Mittelmeer im Krieg der Venezianer gegen die Türken, der mehr als zwanzig Jahre dauerte, 1669 eingenommen. 1692 versuchten die Venezianer, die noch drei Festungen innehatten, die Insel zurückzuerobern und scheiterten. 1715 nahmen die Türken die letzte venezianische Festung auf Kreta ein.